“Du wirst fit und dein Baby kommt mit”

Kanga…, was? Kangatraining! Trageberatung, Baby- und Kindermassage – das Angebot von Judit Scheffler, 31 Jahre, ist ungewöhnlich und vielfältig. Im Interview sprach die zweifache Mutter mit uns über ihren beruflichen Werdegang und weshalb sie heute ihre Selbständigkeit nicht mehr missen möchte.

Judit Scheffler: “In meinen Kursen geht es darum, zu lernen, dass unsere Babies Traglinge sind.” Fotos (2): Michaela Skott

Frau Scheffler, alle reden vom Geburtenrückgang und sie spezialisieren sich ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Bereich?

Ja klar. Dass die Menschen weniger Kinder bekommen, heißt ja nicht, dass sie für die Kinder, die sie bekommen nichts tun wollen. Und gerade für den Raum Schwerin und Rostock ist in den vergangenen zwei Jahren eher ein Wachstum der Geburtenrate zu verzeichnen.

Wer sind denn ihre Kunden?

Viele Eltern wollen schon ihren Babies etwas Gutes tun. Sie sind oft mindestens ein Jahr mit ihnen zu Hause und haben deshalb die Zeit Kurse, wie die von mir angebotenen zu besuchen. Das hat etwas mit dem Kennen lernen der Elternrolle und mit Gesundheitsförderung von Anfang an zu tun. Es geht aber auch darum untereinander Kontakte zu knüpfen, soziale Netzwerke aufzubauen.

Unter Babymassage kann ich mir etwas vorstellen, was aber ist ein Kangatraining und weshalb muss ich lernen, wie man ein Kind trägt?

Da muss ich aber gleich etwas gerade rücken! (lacht) Aber der Reihe nach. Eine gute Baby- oder Kindermassage will gelernt sein. Es geht um gesundheitliche Aspekte einerseits, aber auch um die Begegnung und Berührung mit Respekt. Und natürlich braucht niemand zu lernen, wie man ein Kind trägt – also es auf den Arm nimmt. Vielmehr lernt man, dass man ein Kind trägt. Und das ist ein Unterschied! In meinen Kursen geht es darum, zu lernen, dass unsere Babies Traglinge sind. Trägt man also ein Baby beispielsweise in einem Tragesystem oder einem Tuch, dann ersetzt man oft nicht einfach nur den Kinderwagen sondern trägt ebenfalls etwas Positives für die körperliche und geistige Entwicklung bei. Bei mir lernen die Eltern, wie man dies auf gesundem Wege für alle Beteiligten umsetzt. Die meisten verheddern sich doch das erste Mal bei einem Tuch, das knapp fünf Meter lang ist oder mit einer Trage, die viele Schnallen und Schnüre hat. Kangatraining ist dann quasi für Fortgeschrittene aber natürlich auch für jene, die noch nie ihr Baby getragen haben. Diese Kursteilnehmerinnen können vor der ersten Stunde an einer kleinen Trageschule teilnehmen. Außerdem stelle ich gerne kostenlose Tragesysteme zur Verfügung. Ich arbeite da nach dem Motto „Du wirst fit und dein Baby kommt mit“. Viele junge Müttern kommen nach der Geburt nicht mehr dazu ein Sportprogramm zu absolvieren. Bei Kangatraining haben sie das Baby während speziell zugeschnittener Übungen einfach in einem Tragesystem am Körper. Das fördert die Bindung zueinander, ist gesund und kann sogar unterstützend in der Rückbildung wirken.

Wie kamen Sie denn auf diese tragende Geschäftsidee?

Naja, tragend ist sie noch nicht ganz. Aber ich bin auf einem guten Weg. Ich wechsle demnächst aus dem Nebenerwerb in die volle Selbständigkeit. Die Idee dazu kam mir, als ich mit meiner 2007 geborenen Tochter Lena in der Elternzeit war. Ich war einfach unzufrieden mit meiner bisherigen Tätigkeit. Dann habe ich die Babymassage erlebt und gedacht: „Da ist es!“. 2008 habe ich mich dann in das Abenteuer Selbständigkeit gestürzt.

Weshalb waren Sie unzufrieden und wie abenteuerlich wurde es dann?

Mit hat die Abhängigkeit als Angestellte einfach nicht gefallen. Ich habe unter anderem in Berlin für ein Versicherungsunternehmen gearbeitet und hier in Schwerin im Call Center. Der Schichtbetrieb dort ist auf Dauer einfach nichts, wenn man Familie hat.

Und das Abenteuer?

Ach, das ist mir fast ein wenig peinlich. Und das, wo ich eine kaufmännische Ausbildung habe… Ich habe überhaupt gar keine Marktanalyse betrieben! Ich habe einen Abschluss zur Babymassagekursleitung gemacht und dann festgestellt, dass das so ziemlich jede Hebamme anbietet. Da war mir doch schnell klar, dass meine ganzen schönen Pläne, die ich auch im Existenzgründungsseminar vorgestellt hatte, sich in Luft auflösten. Ohne den Gründerzuschuss wäre ich aufgeschmissen gewesen. Ich habe dann mein Angebot erweitert. Ich hatte schon meine Tochter getragen und habe mich dann an der Dresdner Trageschule zur Trageberaterin ausbilden lassen. So langsam wuchs das Geschäft – aber damit es reicht, bin ich auch mal Velotaxi während der BUGA in Schwerin gefahren. Und dann kam mein Sohn Lias 2010 zur Welt.

Und mit dem haben Sie dann gemeinsam Sport in der Trage gemacht?

Nicht ganz. In der Stillgruppe, in der ich war, kam das Gespräch auf das Kangatraining. Diesmal habe ich vorher recherchiert (lacht) und festgestellt, dass es dieses Angebot in ganz Mecklenburg-Vorpommern noch nicht gab. Dann habe ich in Wien die Ausbildung gemacht und bin nun eine von knapp hundert Kangatrainerinnen in Deutschland. Da ich noch in der Elternzeit war, konnte ich mich über die Qualifizierung in der Elternzeit, beim IMBSE unterstützen lassen. Mein erster Kurs jetzt im Sommer war gleich ausgebucht.

Wie sieht die Zukunft aus?

Ich habe mich mit einer Kollegin zusammen getan, die Stillberatung und schöne Dinge rund ums Baby im Schweriner Bibabutzelädchen anbietet. Dort mache ich meine Trageberatungen. Meine Babymassagekurse biete ich bei der AWO an. Das ergänzt sich alles sehr gut. Mittlerweile bekomme ich sogar Anfragen aus Rostock. Die Selbständigkeit war für mich auf jeden Fall eine gute Entscheidung.

Michaela Skott

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