Die neue ESS-KLASSE

Vom Kindergarten war ihr Sohn meistens hungrig nach Hause gekommen. Das Essen, das von einem großen Catering-Unternehmen geliefert wurde, schmeckte ihm nicht. Das wollte Rechtsanwältin Gesa Stückmann nicht länger hinnehmen und plante ein eigenes Unternehmenskonzept.

Häufig hört man von Gründern, dass ihre Geschäftsidee aus einem persönlichen Problem heraus entstand. So auch bei Gesa Stückmann. Fotos (5): Nicole Knappstein

Gesa Stückmann konnte verstehen, dass ihr Sohn oft hungrig von der Kita kam. Von zu Hause kannte er frisch gekochte Mahlzeiten mit guten Zutaten – kindgerecht zubereitet. Das Mittagessen im Kindergarten wurde über Stunden warmgehalten, bevor es auf den Teller der Kinder kam. Dabei war es dasselbe Essen, das das Unternehmen auch in Altersheime oder Kliniken lieferte. „Dass Kinder eigene Geschmacksvorlieben haben, wird von vielen Caterern ignoriert“, bedauert Stückmann.

Sie wollte das nicht länger hinnehmen. Und so entstand vor drei Jahren die Idee – angeregt durch einen Artikel über eine Slow Food-Initiative in Baden-Württemberg – selber für Kinder gute und frische Mahlzeiten zu kochen. So machte die Rostocker Rechtsanwältin sich daran ein Unternnehmenskonzept zu schreiben. Sie verschaffte sich einen Überblick über die existierenden Verpflegungssysteme und sprach mit Leuten vom Fach. Sehr früh wurde ihr klar, dass man unbedingt vermeiden musste, die Mahlzeiten über Stunden warm zu halten. Die Lösung hieß „Cook & Chill“ – wörtlich übersetzt „kochen und abkühlen“. In der Küchenpraxis bedeutet es, die Speisen kurz bevor sie gar sind auf 0 bis 3 Grad abzukühlen. Die gekühlte Mahlzeit wird erst vor Ort in der Kindergarten- oder Schulküche zu Ende gegart.

Mit ihrem ersten Unternehmens-Konzept gewann Gesa Stückmann 2008 einen Sonderpreis im Business-Plan Wettbewerb des Landes MVwin. „Die Jury hat mir den Preis vor allem wegen des Themas gegeben“, meint die Gründerin. „ Die regionale wie saisonale Auswahl der Lebensmittel und die kurzen Transportwege haben sie überzeugt“. Wertvoller als das Preisgeld war für Gesa Stückmann aber der Hinweis der Jury, auf die geplante Investition einer eigenen Küche anfangs zu verzichten. Stattdessen solle sie versuchen, Küche und Räumlichkeiten anzumieten und sich Schritt für Schritt zu vergrößern.

Über einen privaten Kontakt lernte sie Stephan Jäninchen kennen. Der Inhaber eines Cateringunternehmens war nicht nur selbst Koch. Er hatte auch eine Küche und kannte sich mit dem „Cook & Chill“- Verfahren aus. Schnell war der Vater einer Tochter überzeugt,  in das Vorhaben miteinzusteigen. Für den Bereich Logistik und Qualitätssicherung gewannen sie Claudia Maruniak, Inhaberin eines Steinmetzbetriebes, als Partnerin.

Zur ersten Verkostung in Rostock kamen über dreißig Eltern und Verantwortliche aus Schulen und Kindergärten. Sie ließen sich vom Konzept wie vom Geschmack überzeugen.

Gemeinsam gründeten sie die „ESS-KLASSE – wir kochen für Kinder GmbH“. Frische Zutaten, saisonale Küche und keine Warmhaltezeiten sind die Kernpunkte des Konzeptes. „Aber vor allem soll den Kindern das Essen schmecken“, betont Gesa Stückmann. Zubereitet und abgekühlt werden die Mahlzeiten in der Rostocker Küche von Jäninchens Catering-Unternehmen. Von hier aus bringt die ESS-KLASSE das Essen direkt in die Schulen und Kindergärten. Dort wird es zu Ende gegart. Eine Schulung für das Ausgabepersonal bietet die ESS-KLASSE gleich mit an.

Die Ansprache der Schulen und Kindergärten liegt in den Händen von Gesa Stückmann. Das Interesse ist groß. Die Jungunternehmerin findet schnell Gehör bei den Verantwortlichen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich Verkaufstalent habe“, wundert sich Gesa Stückmann über sich selbst. Aber dass sie sich als Mutter und als jemand, der sein Geld schon woanders verdient, so für ein gutes Essen engagiert, überzeugt. Die größere Hürde ist für Stückmann allen noch gerecht zu werden. Dem neuen Unternehmen, ihrer Arbeit als Rechtsanwältin und natürlich ihren beiden Kindern, dem neunjährigen Sohn und der erst vierjährigen Tochter.
Das Team der ESS-KLASSE hofft, bis Ende des Jahres die ersten Verträge mit Kindergärten wie mit Schulen zu haben. Über Fragebögen wollen sie den Geschmack der Kinder genauer kennenlernen. Besondere Aktionen wie einen Pfannkuchentag, an dem vor den Augen der Kinder gebraten wird, oder der Waffelexpress sollen das Essensangebot immer wieder neu interessant machen. In Zukunft könnten auch ökologische Zutaten eine größere Rolle spielen. Jetzt wollen die drei Gründer aber erst einmal „einfach anfangen“. Und welchen Tipp hat Gesa Stückmann für andere Gründer: “Man sollte nicht meinen alles selbst zu können, sondern von Anfang an mit Experten zusammenarbeiten.”

Nicole Knappstein

Internet: www.essklasse-mv.de/

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