Wer im kalten Winter die Tür des „Mama Chocolate“ in der Schweriner Friedrichstraße öffnet, dem kann es passieren, dass er einen Willkommensgruß erntet, der so in kaum einem anderen Café möglich wäre: „ Tür zu – Ich stille gerade!“
Das klingt nicht bös’ gemeint, schnell trete ich ein und ein Blick an den der Tür nahe gelegenen Tisch zeigt drei Mütter mit ihrem neugeborenen Nachwuchs. Der muss im Café ja schließlich auch etwas bekommen dürfen. Für eine dampfende, große Tasse mit weißem Kakao, wie sie mir Inhaberin Gunhild Nienkerk gut gelaunt auf den Tisch stellt, sind die Babies schließlich noch zu klein. Mein Glück! Bis auf den klassischen Tresen und die großen Küchengeräte dahinter erinnert im „Mama Chocolate“ nur wenig an die In-Cafés, die man sonst so kennt und dennoch (vielleicht auch gerade deswegen) gehört diese kleine Oase zu den gut besuchten gastronomischen Einrichtungen in der Stadt.
Eine große Spielecke, ausgestattet mit Teppichboden, Decken und Spielzeug sowie einer gemütlichen Sitzecke im hinteren Teil des Raumes ist von ein paar kleinen Krabblern und deren Müttern in Beschlag genommen, die fröhlich über den Nachwuchs und Gott und die Welt plaudern. Nebenbei gibt es Kaffee und Kuchen oder kleinere Snacks. Spürbarer Dreh- und Angelpunkt ist jedoch Gunhild Nienkerk.
Schnell wird dem Gast klar, dass sie die meisten mittlerweile persönlich kennt, oft Freude und auch Sorge teilt. Für die „Mama Chocolate“ ist genau dieser enge Kundenkontakt Teil ihres Gründerkonzeptes gewesen: „Als ich meine Gründung plante stellte ich mir die Frage, ob ich ein Café oder eine Art Frauenbegegnungsstätte eröffnen wollte.“ Im Gespräch mit ihrem Berater Tom Awolin bei der IHK zu Schwerin wog sie die beiden Ideen gegeneinander ab. Die Entscheidung fiel letztlich für das Café: „Hier haben wir einfach das Innovative gesehen. So etwas gab es noch nicht in Schwerin.“
Das ist jetzt einige Jahre her. Doch der Reihe nach: Gunhild Nienkerk, selbst Mutter eines zehnjährigen Sohnes ist heute 35 Jahre alt. Hinter ihr liegt ein bewegter Lebenslauf. Nach der Schule folgt eine Ausbildung zur Arzthelferin. Das reicht ihr nicht. Sie beschließt Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Wismar zu studieren. Als diplomierte Betriebswirtin will sie danach ins Krankenhauscontrolling einsteigen. Als das nicht klappt, jobbt sie auf Messen, macht Promotion – alles geht – nur kein Stillstand! Ein Gewinn verändert ihr Leben: Aus ein paar Tagen Reise nach Ägypten, werden Monate, Jahre im Ausland. Auch dort arbeitet sie. Ihr Sohn ist zu dem Zeitpunkt noch klein und überall dabei: „Schon damals ist mir aufgefallen, wie andere Kulturen mit ihren Kindern umgehen. Dort sind die Kleinen selbstverständlich mit dabei. Auch hier gibt es gute Angebote für Kinder. Doch die finden meist getrennt vom Leben der Erwachsenen statt.“
Wer sieht, wie bei dieser Erkenntnis Gunhild Nienkerks Augen blitzen, dem wird klar, wann langsam in ihr die Idee zum „Mama Chocolate“ entstanden sein muss. Doch bis zur endgültigen Ausführung sollte es noch einiger Anstöße bedürfen. 2005, zur Einschulung ihres Sohnes, kehrt Gunhild Nienkerk nach Deutschland zurück. Sie sucht nach einer festen Arbeit, will Sicherheit und auch Zeit für ihr Kind. In Rostock findet sie eine Anstellung in einem großen Call-Center. Arbeitet später in Schwerin in derselben Branche: „Aber ich hätte es besser wissen müssen. Das war einfach nicht das Richtige für mich.“
Unterdessen hört Gunhild Nienkerk, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Sie erinnert sich, was ihr in der Zeit als ihr Sohn gerade geboren war, gefehlt hat: „Ich wollte einen Ort, an dem es selbstverständlich ist, dass ich mein Kind stille. Ich wollte einen Ort, an dem ich Mutter aber auch Frau und Freundin sein konnte. Zum plaudern, Kaffee trinken, gegenseitigem Austausch.“
Durch ihr Studium mit dem notwendigen theoretischem Hintergrund ausgestattet, macht sich Gunhild Nienkerk an die Arbeit. Sie betreibt eine ausgiebige Marktrecherche, wertet Statistiken zum Thema aus und stellt fest: „Ja, es gab mehr Kinder und tatsächlich war bis 2008 noch niemand auf die Idee gekommen, dass so ein Café oder Treffpunkt sich auch wirtschaftlich rechnen würde.“
Das war ihr innerlicher Startschuss. In der Beratung mit Tom Awolin lotete sie ihre Möglichkeiten aus. „Das Café hatte einfach mehrere Vorteile. Ich konnte alleine entscheiden und brauchte keine Partner. Auch die Finanzierung gestaltete sich über ein Mikrodarlehen aus den Förderprogrammen einfacher.“
Das „Mama Chocolate“ nahm Gestalt an und auch bei der IHK war man von der neuen Konzeption überzeugt. Dank der Unterstützung durch das Übergangsgeld ließ sich auch die Anlaufzeit gut überbrücken. Im August 2008 öffnet sie das erste Mal. Im Gästebuch liest man Sätze wie „Endlich…“, oder „Danke…“, oder „Nur darauf gewartet…“. Selbst die kleinen Gäste malen und schreiben ihre ersten Buchstaben dort hinein. Werbung macht sie selbst wenig: „Das machen andere für mich. Unter den jungen Müttern hat sich mein Angebot schnell herumgesprochen.“ Ganz ohne geht es natürlich nicht und so annonciert sie in einschlägigen Zeitschriften, wie der „Räuberpost“ oder wirbt bei Hebammen.
Gunhild Nienkerk ist zufrieden. „Klar ist eine Gründung hart. Da steckt eine Menge Arbeit dahinter. Doch das hier ist genau mein Ding!“ Nun ist es an mir zu schmunzeln. Denn aus dem Café ist längst schon die ursprünglich geplante Begegnungsstätte im Kleinformat geworden: Da gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Seniorenbüro zum „Leihomaservice“, außerdem eine Lebens- und Sozialberatung, eine Stillberatung durch eine Hebamme, ein Alleinerziehendentreff ist einmal monatlich für jeden zweiten Sonntag geplant. Da werden Kindergeburtstage mit richtig „Krawall und Remmidemmi“ gefeiert … .
Das „Mama Chocolate“ ist anderthalb Jahre nach der Gründung aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Was kommt da als nächstes? Gunhild Nienkerk lächelt verschmitzt. „Das Klima in so einem Café ist nicht nur für Geschäftsideen sehr fruchtbar…“. Im August wird die umtriebige Gründerin zum zweiten Mal Mutter und wehe, wenn sie danach wieder losgelassen…
Internet: www.mama-chocolate.de/
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Autorin Michaela Skott | 26.04.2010