Flügellahme Kunden

Kaputte und verdreckte Windräder „erklimmt“ der Rostocker Erwin Kunz. Vor gut zwei Jahren hat sich der 31-jährige Servicetechniker mit seiner Firma Rotor Energy selbstständig gemacht. Er repariert und wartet die Rotorblätter der Windräder. Diese Marktnische ist bundesweit nicht ausreichend besetzt, stellte er in seiner Zeit als Angestellter fest. Aufträge kommen aber längst nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Frankreich, Spanien, England, Belgien, Italien und einmal auch schon aus Amerika. Dabei geht es um vier-, fünf- sogar sechsstellige Auftragssummen.

Die Schreibtischlampe treibt das solarbetriebene Windrad von Erwin Kunz bestens an.

In der kleinen Rostocker Altbauwohnung von Erwin Kunz ist der Firmensitz. Mithilfe von zwei Laptops managt er seine Firma. Ein Laptop steht auf dem Schreibtisch, das andere auf dem Wohnzimmertisch: Zwischen beiden springt der 31-Jährige hin und her, zeigt stolz die Fotos die er bei Wartungs- und Reparaturarbeiten in Sachsen-Anhalt, Frankreich, Spanien und anderswo auf der Welt gemacht hat.

Drei fest angestellte Mitarbeiter gehören mittlerweile zu seinem Team.
Angefangen hat Erwin Kunz im September 2006 allein. „Einfach war das nicht“, erzählt er. Auf die Frage was denn besonders schwierig gewesen sei, fällt ihm aber erstmal keine Antwort ein.

Er nimmt einen Schluck von seinem Cappucino und erzählt dann, dass er sich von seinem Chef damals kündigen ließ. Nur so kam er an den Gründungszuschuss von der Arbeitsagentur. „Meine Mutter und mein Bruder sind auch selbstständig, haben zusammen einen Agrarbetrieb. Die Steuerberaterin der beiden kenne ich schon lange. Mit ihr habe ich meinen Businessplan geschrieben, den ich bei der Arbeitsagentur vorlegen musste, um den Gründungszuschuss für neun Monate zu bekommen.“

Vom Ersparten bezahlt er den weißen, gebrauchten Transporter, mit dem er und seine Mitarbeiter von Windrad zu Windrad unterwegs sind. „In Mecklenburg-Vorpommern gibt es rund 1800 Windräder. Wir haben vielleicht 100 davon gewartet“, schätzt Erwin Kunz. Das größte Marktpotential sieht er in Amerika. „Dort werden jetzt riesige Windparks gebaut.“

Anfangs lieh sich der Jungunternehmer die Arbeitsbühnen, die man braucht um von außen die Windräder hoch zu kommen, noch aus. Mittlerweile besitzt er drei Stück. „Die kosten jeweils rund 100.000 Euro.“ Den Kredit bekam er von seiner Hausbank
„Das  war ein unkompliziertes Bankgespräch. Die wollten wissen was ich mache, wofür ich das Geld brauche. Dann musste ich noch Umsatz- und Auftragszahlen vorlegen. Die haben ja auch gesehen, dass da regelmäßig Geld auf mein Geschäftskonto fließt und das war’s“, erinnert sich Erwin Kunz. Drei Monate dauerte dann aber doch die Bearbeitungszeit und weitere zwei Monate bis die Bühnen geliefert wurden. Eine lange Zeit, die er wieder mit Mietbühnen überbrücken musste. Das war so nicht geplant.

Dass es von Anfang an mit der Selbstständigkeit gut lief, hat er vor allem seinen Kontakten aus der Zeit als Angestellter einer Servicetechnik-Firma zu verdanken. „Außerdem leisten wir sehr gute Arbeit, das spricht sich rum.“ Mundpropaganda sei überhaupt die beste Werbung, ist der Jungunternehmer überzeugt, der beachtliche Referenzen vorweisen kann. Auch so was überzeugt neue Kunden.

Die lukrativen Auslandsaufträge ergattert der Jungunternehmer vor allem bei Ausschreibungen. Am Wochenende, nachts oder jetzt im Winter, wenn weniger zu tun ist, kümmert sich Erwin Kunz darum. Auf die erstaunte Nachfrage, ob er die Ausschreibungen wirklich allein ausfüllen kann, kommt Schulter zuckend und lächelnd die Antwort: „Ich habe ein Studium zum „Staatlich geprüften Wirtschaftsprüfer“ absolviert.“

Spanien im Frühjahr 2007: In rund 70 Meter Höhe läßt sich Erwin Kunz von einem Mitarbeiter fotografieren. “Angst hatte ich da oben noch nie, darf man auch nicht, aber Respekt. Da wehen andere Winde als unten”, erzählt er.

Auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer steht ein Solar-Windrad in Miniaturgröße, etwa so hoch wie eine Weihnachtspyramide. Die Flügel stehen still: „Die bewegen sich nur, wenn die Sonne richtig scheint. Jetzt im Winter laufen die eher nicht.“
Genauso läuft es auch in der Firma von Erwin Kunz: „Im Sommer ist der Arbeitstag zehn bis 16 Stunden lang. Jetzt im Winter deutlich kürzer, weil es ja auch früh dunkel wird und man wegen der Witterung oft nicht dort oben arbeiten kann.“
„Dort oben“ heißt, dass Erwin Kunz und seine Mitarbeiter in 70, 80 oder sogar 100 Meter Höhe die Rotorblätter der Flügel säubern, reparieren oder überprüfen. Fehler können sie sich nicht leisten, deswegen absolvieren Bewerber bei dem Jungunternehmer ein vierwöchiges Praktikum.

Sollten er oder seine Mitarbeiter doch mal einen schwerwiegenden Fehler machen, zahlt hoffentlich die Betriebshaftpflicht, die der 31-Jährige zusammen mit vielen anderen Versicherungen beim Start in die Selbstständigkeit bei einem Makler abschloss. Rund 800 Euro kostet ihn das monatlich, gibt ihm aber Sicherheit.

Im nächsten Jahr soll die Firma endlich ein richtiges Büro bekommen. „Die Sekretärin kann ja schlecht hier in meinem Wohnzimmer arbeiten“, sagt Erwin Kunz lachend. Vor der viel beschworenen Wirtschaftskrise hat er keine Angst: „Ich glaube nicht, dass ich davon betroffen bin. Die Anlagen, die es schon gibt, müssen ja gewartet werden.“ Optimistisch fügt er hinzu: „Wenn es so weitergeht, wird’s außerdem nicht nur bei der deutschen Niederlassung bleiben.“

Der Cappuccino ist alle, einige der schönsten Fotos für diesen Artikel auf CD gebrannt und das Interview beendet, da fällt Erwin Kunz noch was als Tipp für andere Gründungswillige ein: „Es sind nicht alle für die Selbstständigkeit gemacht. Da muss schon viel Engagement dahinter stecken. Von nichts kommt nichts. Und das was man machen will, davon sollte man total überzeugt sein.“

Grit Gehlen
Internet: www.rotor-energy.com/de/index.php

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